Von Rittern, Rüstungen und Ritualen

08.10.2025 -

Der Germanist Prof. Dr. Jan Mohr hat an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg eine Heisenberg-Professur für Ältere deutsche Literatur angetreten. Heisenberg-Professuren werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vergeben. Sie gelten als Auszeichnung für herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und eröffnen die Möglichkeit, eigene Forschung auszubauen, neue Projekte zu entwickeln und sich zugleich auf Leitungsaufgaben vorzubereiten. Mit der Heisenberg-Professur stärkt die DFG zugleich das Profil der Universität Magdeburg und würdigt ihre wissenschaftliche Exzellenz.

Mohr erforscht unter anderem, wie Texte des Mittelalters die gesellschaftlichen Themen Macht und Gleichheit gleichzeitig verarbeiten. „Die höfische Dichtung, zum Beispiel die Romane um König Artus, feiert die Besten und entwirft doch ein Ideal, in dem Ritter einander ebenbürtig erscheinen. Ein schlagendes Beispiel ist das heute noch bekannte Bild von der Tafelrunde: ein Tisch, an dem nur die Besten Platz nehmen dürfen, an dem es aber kein Oben und Unten und damit auch keine in der Sitzordnung sichtbaren Rangunterschiede gibt. Mich interessiert, wie die Literatur als Spiegel der Gesellschaft solche Gegensätze austrägt“, sagt er.

Ein zweiter Forschungsschwerpunkt gilt den „Prothesen“ literarischer Figuren – Rüstungen, Waffen oder Helfer, die ihre Rolle bestimmen und sie stützen. „Keine Figur steht für sich allein. Ausstattung und Begleiter prägen ihre Identität und ihre Handlungsmöglichkeiten – ähnlich wie heute technische Erweiterungen, etwa Prothesen oder Implantate, unsere Handlungsmöglichkeiten, damit aber auch unser Selbstbild verändern.“ 

Darüber hinaus untersucht Mohr frühneuzeitliche Gebetstechniken. Seine Studien von Texten aus dem 16. und 17. Jahrhundert zeigen, wie Atemübungen oder Seufzen Rituale verstärken und das geistliche Erleben bis heute formen. „Das macht deutlich, wie eng unser Körper, Gebetspraxis und Text noch immer miteinander verbunden sind.“

„Die intensive Beschäftigung mit über 500 Jahre alten Texten erlaubt uns, einen Blick in die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse zu werfen, sie reflektieren historische Zusammenhänge und Denkweisen“, so der Germanist. „Die Erforschung der Vergangenheit kann zu einer besseren Analyse der Gegenwart und zu einer Gestaltung der Zukunft beitragen. Und das gilt für philologische Kompetenzen generell, davon bin ich überzeugt: Die Fähigkeit, Texte zu verstehen - und zwar auch ihre rhetorischen und argumentativen Strategien - und Quellen kritisch zu überprüfen, ist ein Grundpfeiler freiheitlicher und demokratischer Gesellschaften.“   

In der Lehre setzt der Prof. Jan Mohr auf den intensiven Austausch: „Am schönsten ist ein Seminar, wenn Studierende miteinander ins Gespräch kommen, Fragen stellen, gemeinsam Antworten suchen und vergessen, dass ich überhaupt noch da bin. Wenn sie zusammen neue Perspektiven entwickeln und ich selbst dabei etwas lerne, ist das die beste Form von Lehre.“

Für die kommenden Jahre plant Mohr unter anderem eine internationale Tagung in Slowenien und ein Programm zum 400. Jahrestag der Eroberung Magdeburgs.

Kurzvita

Jan Mohr studierte und promovierte 2007 an der Ludwig-Maximilian-Universität München und arbeitete dort anschließend als wissenschaftlicher Assistent. 2014 habilitierte er sich in Germanistischer Mediävistik und Frühneuzeitforschung und blieb der LMU als Akademischer Oberrat verbunden. Es folgten Vertretungsprofessuren in Frankfurt, Bielefeld, Aachen und München, bevor er an die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wechselte. Dort vertrat er zunächst die W2-Professur für Ältere deutsche Literatur und Kultur und wurde 2025 auf die Heisenberg-Professur berufen.


Autor:in Lisa Baaske

Letzte Änderung: 08.10.2025 -
Ansprechpartner: Lisa Baaske