„Schwerelos sein, das lässt sich mit nichts vergleichen.“

Kirsten Harth war mir keine Unbekannte, als wir uns entschieden, sie in der Sonderausgabe des uni:reports vorzustellen. Ich hatte über sie und ihre Projekte berichtet, als man vom schwedischen Kiruna eine Versuchsrakete gen Weltall schoss – mit einem Experiment ihres Teams an Bord –, als sie im Fallturm des Bremer Zentrums für Angewandte Raumfahrttechnik und Mikrogravitation bildlich die Moleküle in Gasen durch Glas- und Kupferstäbchen ersetzte, sodass in Schwerelosigkeit ein „granulares Gas“ entsteht, oder als sie auf einem Parabelflug Experimente für die ISS vorbereitete. Und von Beginn an ist Kirsten Harth in der „Magdeburger Arbeitsgemeinschaft zur Forschung unter Raumfahrt- und Schwerelosigkeitsbedingungen (MARS)“ dabei.

Freundlich empfängt mich die Doktorandin und erzählt mir anderthalb Stunden, in denen es keine Minute langweilig wird, begeistert von ihrer Arbeit. Grundlagenforschung sei es hauptsächlich, womit sie sich beschäftige. Ob ein experimentelles Resultat nun aber den Erwartungen aus bestehenden Theorien entspricht oder nicht, das steht oft in den Sternen. Und umso interessanter sei es, die Ursachen für ein völlig unerwartetes Ergebnis zu ergründen. Sie arbeitet in der Abteilung Nichtlineare Phänomene von Prof. Dr. Ralf Stannarius und beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit Musterbildung und Dynamik in dünnen, frei stehenden Filmen. Wo das denn eine Rolle spiele, wollte ich wissen. Beispielsweise in den Zellen unserer Haut, gekrümmten Membranen, wie bei Seifenblasen, oder bei der Frage, wie besondere Materialeigenschaften die gesamte Dynamik beeinflussen, zählt Kirsten Harth auf. Zur Zeit sitzt die Physikerin gerade an der Auswertung schier endlos scheinender Bildserien und Video­sequenzen von Messergebnissen aus den Experimenten. Manchmal müsse man auch weniger spannende Sachen machen, auch das gehöre dazu.

Auf die Frage, warum sie denn Physik studiert habe, antwortet mir Kirsten Harth: „Weil ich mich schon immer für Naturwissenschaften, Sprachen und Musik interessiert habe – und man Musik perfekt als Hobby haben kann, Physik aber nicht. Das Berufsbild eines Physikers ist sehr vielseitig.“ So ist sie zur Physik gekommen. Bald hatte sie der Forschergeist gepackt und nicht wieder losgelassen. Gefördert von ihrem Professor Ralf Stannarius, war sie schon während ihres Studiums mittendrin in der Wissenschaft. „Hier an der Uni Magdeburg boten sich mir viele Möglichkeiten, meine individuellen Interessen schon früh zu finden und zu verfolgen“, schätzt Kirsten Harth ein. Zudem haben ihr die kleinen Studiengruppen und der gute Kontakt zu den Lehrenden an der Uni Magdeburg besonders gut gefallen. „Die Abteilung von Professor Stannarius arbeitet mit vielen unterschiedlichen Partnern in der ganzen Welt zusammen. Von diesen Kooperationen konnten auch wir Studenten profitieren und die Motivation für die Wissenschaft wurde durch die frühe Förderung geweckt.“ Und mit der Physik nicht genug, ganz nebenbei hat sie sich noch für ein Mathematikstudium eingeschrieben. „Mathematik ist sehr nützlich für Physiker und außerdem ist es eine sehr schöne, wenn auch ganz andere Wissenschaft als die Physik“, begründet die 29-Jährige ihre zweite Studienwahl.

In ihrer jungen Wissenschaftlerkarriere gab es einige Momente, die ihr besonders in Erinnerung geblieben sind. „Der erste Parabelflug. Schwerelos, das lässt sich mit nichts anderem vergleichen“, erzählt die Doktorandin. „Unsere ersten Experimente auf der Versuchsrakete, bei deren Start wir in Schweden dabei waren. Das war eine Riesenanspannung! Und als ich das erste Mal auf einer Konferenz vor 150 gestandenen Experten als absoluter Neuling auf diesem Gebiet unsere Forschungs­ergebnisse vorstellen sollte“, zählt sie weiter auf und erinnert sich dann, dass sich dort viele für ihre Arbeit interessierten und sich eine Menge Kontakte ergeben haben, die sie heute noch pflegt.

Gern möchte Kirsten Harth nach der Promotion für ein bis zwei Jahre Erfahrungen in einer renommierten Forschergruppe im Ausland sammeln, um dann hoffentlich eine dauerhafte Perspektive in Deutschland zu finden.

 

Von Ines Perl

 

Letzte Änderung: 09.07.2020 -
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