Menschliche Zellen aus den Blutgefäßen im Weltraum
Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg schicken Endothelzellen zu einem 14-tägigen Experiment auf die Internationale Raumstation ISS. Am Freitag, den 8. April 2016, um 22.43 MESZ (16.43 Ortszeit) startet die amerikanische Firma SpaceX vom Kennedy Space Center, Cape Canaveral, Florida, USA, eine Falcon-9-Rakete und das Raumschiff Dragon, mit denen die wissenschaftliche Fracht auf Weltraumtour geschickt wird.
Endothelzellen sind ganz spezielle Zellen, die die innerste Schicht der Blutgefäße auskleiden. Die medizinische Weltraumforschung kann neuere Erkenntnisse über die kardiovaskulären Probleme von Astronauten nach Langzeit-Aufenthalt im Weltraum liefern. Unter anderem kann es bei den Menschen im Orbit zu niedrigem Blutdruck und auch zu Herzrhythmusstörungen kommen. Die Endothelzelle produziert zahlreiche, ihre Umgebung beeinflussende Signalstoffe und auch den Blutdruck regulierende Substanzen, die in diesem Weltraumexperiment im Detail untersucht werden sollen. Der Mensch will in naher Zukunft als Tourist ins Weltall reisen und daher ist es notwendig, die möglichen Gefahren genau zu kennen, um sie gegebenenfalls verhindern oder zumindest lindern zu können.
„Wir fanden durch Versuche im Labor auf der Erde mit Hilfe von Maschinen, die Schwerelosigkeit simulieren können heraus, dass Endothelzellen anders wachsen, wenn die Schwerkraft fehlt. Sie wachsen dreidimensional als sogenannte Gefäßvorläufer-Konstrukte – Intimaschläuche – und Sphäroide, das sind runde Aggregate, aus mehreren Zellen bestehend. Wir haben 14 Tage Untersuchungszeit im Weltraum, um zu sehen, ob diese Ergebnisse mit unseren im Labor auf der Erde erzielten Resultaten übereinstimmen“, erläutert Professorin Daniela Grimm, Leiterin des Forschungsprojekts und Gastprofessorin für Gravitationsbiologie und Translationale Regenerative Medizin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Neue Erkenntnisse zur Herstellung von künstlichen Blutgefäßen (Tissue Engineering)
Das Wissenschaftsteam um Prof. Grimm untersucht in der Mikrogravitation die Struktur der Zellen. Normalerweise wachsen Endothelzellen in der Kulturflasche zweidimensional mit Ausnahme, wenn 3D-Zellkulturmodelle zum Einsatz kommen. „Mit Hilfe der Random Positioning Machine können wir 3D-Wachstum induzieren. Es bilden sich Sphäroide und Schläuche. Die Ursachen für dieses Verhalten sind nicht bekannt. Wir sind sehr daran interessiert, die genauen Mechanismen für die Sphäroid-Bildung zu finden und hoffen, dieses Wissen dann im Bereich der Gewebezuchtforschung – Tissue Engineering – einsetzen zu können“, berichtet Prof. Grimm. Sehr kleine künstliche Blutgefäße werden im Bereich der Wiederherstellungschirurgie und der Handchirurgie bei Transplantationen benötigt.
Mit der Random Positioning Machine kann 3D-Wachstum induziert werden. |
Elf Tage simulierte |
Die Zellen werden in speziell für das Experiment von der Firma RUAG, Schweiz, entwickelten Containern kultiviert und kommen von ihrer Weltraumreise nach ca. vier Wochen, d.h. Mitte Mai 2016 zurück. Das Dragon-Raumschiff wird dann im Pazifik bei Kalifornien landen. Die Proben werden anschließend nach Magdeburg in die Laboratorien der Arbeitsgruppe von Prof. Grimm geschickt. Sie werden dann histologisch sowie mit molekularbiologischen Methoden weiter untersucht.
In einem speziell für das Experiment entwickelten Container |
Dieses Forschungsprojekt wird in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Aarhus, Dänemark, dem Max-Planck-Institut Martinsried, der Hochschule Luzern, Schweiz, der Texas Southern University, Houston, Texas, USA, dem Belgian Nuclear Research Centre, SCK-CEN, Mol, Belgien, und der Universität Udine, Italien, durchgeführt. Das internationale Forschungsprojekt wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) und der NASA gefördert.
Pressemitteilung ESA-Spherioids-Projekt, Fotos: Spheriosids-Projekt, NASA