Soziale Interaktion durch virtuelle Realität verbessern

24.08.2022 -  

Ingenieurpädagoginnen und Ingenieurpädagogen der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg möchten die Qualität des Lernens für Schülerinnen und Schüler mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) verbessern. Das international ausgerichtete Projekt „BitTheSpectrum“ setzt dabei auf die Aus- und Weiterbildung des Lehrpersonals und auf die Bereitstellung moderner Bildungstechnologie. Mithilfe von Werkzeugen der virtuellen und erweiterten Realität sollen die Lese- und Schreibfähigkeiten sowie die soziale Interaktion von Menschen mit ASS verbessert werden. Zugleich kann damit die Qualität der inklusiven Bildung in den am Projekt beteiligten Ländern erhöht werden.

Die Autismus-Spektrum-Störung ist eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung, die eine beeinträchtigte Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung zur Folge hat. „Soziale und emotionale Signale sind für Menschen mit ASS schwer einzuschätzen sowie auszusenden. Die Betroffenen zeigen häufig wiederkehrende und stereotype Verhaltensweisen und reagieren teilweise stark auf Veränderungen in ihrer Umgebung. Wie viele Menschen von der Störung betroffen sind, ist aufgrund unzureichender und schwer zu standardisierender Diagnoseverfahren schwierig zu sagen. Das Umweltbundesamt gibt eine weltweite Rate von 0,6 bis ein Prozent an, so Tim Volkmann vom Lehrstuhl für Ingenieurpädagogik und Didaktik der technischen Bildung der Universität Magdeburg, der das Projekt koordiniert.

Ziel von „BitTheSpectrum“ ist es, die Erfahrungen und Fähigkeiten von Expertinnen und Experten für neue Technologien und Autismus-Spektrum-Störung zusammenzubringen, um die Qualität des Lernprozesses für Schülerinnen und Schüler mit ASS und auch die Bildungs- und Betreuungsabläufe zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen die Projektpartner auf innovative Werkzeuge, vor allem auf Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). „Virtuelle Realität beschreibt eine künstlich generierte Wirklichkeit, die zumeist über sogenannte VR-Brillen wiedergegeben wird. Augmented Reality hingegen bezeichnet die Vereinigung des analogen und digitalen Lebens. Über Brillen, aber auch das Smartphone oder Tablets wird die analoge Lebenswelt mit digitalen Objekten oder Effekten erweitert“, erklärt Tim Volkmann.

„Die Ergebnisse verschiedener Studien, die den Einsatz von AR und VR bei Kindern mit ASS untersucht haben, deuten darauf hin, dass AR und VR das Üben und Erlernen sozialer Fähigkeiten erleichtert und die selektive Aufmerksamkeit der Schüler verbessert. Durch die VR-Tools können die Kinder beispielsweise soziale Interaktionen, wie Begrüßung, Bitten, Bezahlen oder Danken trainieren.“ Zusätzlich helfe es den Schülerinnen und Schülern dabei, neue Dinge zu lernen und die Mimik und die Emotionen anderer Kinder besser zu verstehen. Durch die komplett gestaltbare Umgebung von VR können Objekte beliebig entfernt oder hinzugefügt werden. Manche Menschen mit ASS werden häufig von auslösenden Impulsen, sogenannten Triggern, beeinflusst. Das können Farben, Objekte oder auch Geräusche sein, die dann häufig eine negative Wirkung auf sie haben. Durch VR sei es möglich, diese Trigger entweder ganz zu vermeiden oder sie dosiert im pädagogischen Kontext einzubauen, so der Wissenschaftler.

Aktuell arbeiten die Projektpartner daran, die Expertise und Meinung von Fachkräften einzuholen, um Bildungsangebote zu erstellen, die in der Praxis anwendbar sind. „Über Umfragen und Expertenrunden wollen wir herausfinden, wo Bedarf besteht und wie wir diesen am besten bedienen können“, umreißt der Wissenschaftliche Mitarbeiter das Projektziel. Am Ende der Projektlaufzeit soll ein frei zugängliches Bildungsangebot für Fachkräfte stehen, bei dem ihnen die Möglichkeiten und der Umgang mit AR-/ VR-Anwendungen im Umgang mit Kindern mit ASS nähergebracht wird. Parallel arbeiten die Forschenden im Moment an der Konzeption eines ersten Prototyps für eine VR-Anwendung, mit dem zukünftig Testdurchläufe durchgeführt werden sollen.

Das Konsortium des Projekts besteht aus der Accademia IRSEI APS in Italien, der spanischen Organisation SkillsDivers, dem finnischen Unternehmen 3DBear, dem finnischen Luovi Vocational College und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, die unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Bünning vom Institut für Berufs- und Betriebspädagogik, die Koordination des Projekts übernimmt. Vorteil des international aufgestellten Konsortiums sei die Erfahrungsvielfalt der Partnerorganisationen. „Durch die nationale und auch kulturelle Diversität haben wir einen umfassenden Blick auf Thematiken. Beispielsweise wollen wir mit den Kindern in der Virtuellen Realität eine Fahrt mit einem Bus nachstellen. In den verschiedenen Ländern der Projektpartner ist allein die Prozedur des Anhaltens eines Busses unterschiedlich. So werden Probleme sichtbar, die ohne diese Diversität wohlmöglich nie aufgefallen wären“, gibt Tim Volkmann abschließend ein Beispiel zur Anwendung.

Gefördert wird das Projekt von dem Erasmus+-Programm der Europäischen Union. Weitere Informationen online.

Letzte Änderung: 30.11.2022 - Ansprechpartner: Katharina Vorwerk