Als Wasser im Harz noch Watar hieß

20.09.2021 -  

Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg richtet vom 21. bis 24. September 2021 eine Fachtagung aus, die sich erstmals und ausschließlich dem Altsächsischen widmet. Über 30 Expertinnen und Experten aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Italien, Schweiz, Japan und Nordamerika werden dazu in dieser Woche auf dem Uni-Campus erwartet. Sie beschäftigen sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Geschichte, Literatur und Kultur in der Sprache der Menschen, die vom 8. bis zum 12. Jahrhundert zwischen Rhein und Elbe, Nordsee und Harz lebten.

WAS:

„Altsächsisch. Interdisziplinäres Colloquium zur altniederdeutschen Sprache, Literatur und Kultur
(9.–12. Jh.)“

WANN:

21.-24. September 2021

WO:

Hörsaal 6, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

„Altsächsisch ist die gängige Bezeichnung für die älteste überlieferte Sprachstufe des Niederdeutschen“, erklärt der Organisator der Tagung, Prof. Norbert Kössinger vom Bereich Germanistik der Universität Magdeburg. „Man muss sich vorstellen, dass mitten durch das deutsche Sprachgebiet im Mittelalter eine Sprachgrenze verläuft“, so der Germanist weiter. „Das wesentliche Merkmal des Altsächsischen ist dabei, dass es die sogenannte hochdeutsche Lautverschiebung nicht mitgemacht hat und vom Lautstand her auf der Ebene des Englischen und einigen anderen germanischen Sprachen nördlich dieser Sprachgrenze bleibt.“ So entspreche Wasser zum Beispiel altsächsisch watar (vgl. englisch water), im Süden wazzar. Schiff heiße im Altsächsischen skip (vgl. englisch ship), weiter im Süden hingegen scif.

„Die deutsche Sprache hat sich seit dem Altsächsischen zwar auf allen Ebenen weiterentwickelt, dennoch erkennt man bestimmte Charakteristika noch in unserem heutigen Deutsch“, erklärt Kössinger. „Wenn man bestimmte Lautentwicklungen mit einkalkuliert, kann man generell sagen, dass eine ganze Reihe von Wörtern aus dem Bereich des grundlegenden Wortschatzes in veränderter Form überlebt hat. Das gilt im Übrigen auch für Orts- und Personennamen, die man zum Teil gut wiedererkennen kann.“ Beispiele dafür sind etwa Askasberga (Ascheberg) oder Thiedelingtharpa (Dielingdorf).

Das heutige Sächsisch habe aber überhaupt nichts mit dem Altsächsischen zu tun, denn das heutige Sachsen liege vollständig südlich der erwähnten Sprachgrenze. Was wir heute als ‚modernes‘ Sächsisch kennen, trage als Dialekt ganz eigene Züge, so der Literaturwissenschaftler. „Das heutige Sachsen-Anhalt gehörte und gehört sowohl zum niederdeutschen als auch zum hochdeutschen Sprachgebiet. Im Norden unseres Bundeslandes steht man also in den Fußstapfen des Altsächsischen.“

Auch davon, wie Altsächsisch geklungen hat, könnten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine gewisse Vorstellung machen, weil sie wüssten, wie man bestimmte Laute artikulierte.

Das Altsächsische ist ab der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts schriftlich belegt. Mit dem Heliand, eine Leben Jesu-Dichtung und der Genesis, eine Bearbeitung des ersten Buches des Alten Testaments, sind zwei große Bibeldichtungen in altsächsischer Sprache aufgezeichnet worden. „Und zwar in Stabreimversen, bei denen sich immer die Anfangsbuchstaben miteinander reimen, z. B. wie hier mit H: helpa fan himila, hêlagna gêst (Hilfe vom Himmel, Heiliger Geist)“, fügt der Germanist an.

Diese und andere Texte, die in altniederdeutscher Sprache von der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts bis ins 12. Jahrhundert überliefert sind, werden während der Tagung aus sprachwissenschaftlicher und literaturwissenschaftlicher, aber auch historischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive analysiert und interpretiert werden.

Die Vorträge werden für Interessierte auch online zugänglich gemacht. Zum vollständige Programm und weiteren Informationen.

Als ein Hörbeispiel für Altsächsisch gibt es ein Taufgelöbnis. 

Letzte Änderung: 30.11.2022 - Ansprechpartner: Katharina Vorwerk