Redebeitrag am 08.03.18 bei der Demonstration im Rahmen der Feministischen Kampftage 2018 in Magdeburg

Redebeitrag der Präventionsstelle Sexualisierte Diskriminierung:

"Die Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und die Hochschulen Magdeburg-Stendal und Harz finanzieren die Präventionsstelle Sexualisierte Diskriminierung, die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und die Hochschule Merseburg verfügen über geregelte Verfahrenswege für den Umgang mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt. Sachsen-Anhalts Hochschullandschaft stellt sich der Herausforderung, sexualisierte Diskriminierung und Gewalt weitgehend einzudämmen. Und das ist auch gut so. Warum, fragen Sie sich?

Hochschulen und Universitäten unterliegen gesellschaftlichen Entwicklungen. Sexismus und sexualisierte Gewalt sind Problematiken innerhalb der Gesellschaft. Hochschulen können nur die Gesellschaft abbilden, in der sie sich befinden und müssen sich deshalb denselben Problemen stellen.

Feststehende Hierarchie- und Machtverhältnisse bestimmen den Hochschul- bzw. Universitätsalltag. Studierende sind dem Lehrpersonal untergeordnet. Anders wäre eine Lehrveranstaltung mit knapp 100 Studierenden auch nicht denkbar. Trotzdem ergibt sich daraus ein gewisses Risiko – denn Studierende haben kaum Möglichkeiten, sich gegen sexualisierte Diskriminierungen oder Gewalt durch Lehrende zu wehren. Zu groß oftmals die Scham und die Befürchtung, das Studium nicht erfolgreich abschließen zu können, wenn sie eine lehrende Person beschuldigen. Denn was passiert, wenn die beschuldigte Person den oder die Studierende im weiteren Verlauf des Studiums bewerten soll?

Als ich begonnen habe, die Präventionsstelle Sexualisierte Diskriminierung mit Leben zu erfüllen, wurden nicht nur unterstützende Argumente an mich herangetragen. Unter anderem wurde die Frage laut, ob ich nicht lediglich ein Problem schaffen würde, indem ich – in erster Linie Studierende – auf eine Problematik stoßen würde, die von ihnen gar nicht als solche wahrgenommen wird. Und ja, die kritischen Stimmen hatten Recht – insofern, dass es mehr als einen „Aha“-Moment mit Studierenden und Beschäftigten gab, wenn ich erklärt habe, was bereits unter sexualisierter Diskriminierung und Gewalt zu verstehen ist. Das heißt jedoch nicht, dass das Problem ohne die Präventionsarbeit nicht bestehen würde. Sexismus, sexualisierte Diskriminierungen und Gewalt werden lediglich von einem Großteil als „Alltag“ und „Normalität“ empfunden.

Statistiken zufolge erlebt jede zweite weibliche Studierende im Rahmen ihres Studiums mindestens eine Situation sexualisierter Diskriminierung – also verbale oder psychische Gewalt. Denken Sie kurz nach – an sich selbst, an Ihre Freundinnen, Töchter, Schwestern. Denken Sie daran, wie viele Personen aus Ihrem Umfeld vermutlich bereits sexualisierte Diskriminierungen oder Gewalt erfahren haben – vielleicht sogar ohne, dass es ihnen selbst bewusst ist.

Eine Studentin kam beispielsweise auf mich zu, weil sie durch einen Kommilitonen sexualisiert belästigt wurde. Er habe sich ihr unangenehm genähert und u. a. versucht, sie zu küssen. Die Frage, die während unseres Gesprächs im Raum stand, war, ob sie sich überhaupt über das Verhalten des Kommilitonen aufregen dürfe. Ob sie sich beschweren dürfe oder ob sie eine Mitschuld an dem Vorfall trage. Ich war damals noch relativ frisch in meinem Arbeitsbereich und ich fragte mich, wie diese junge intelligente Frau vor mir so stark an sich selbst und ihren Gefühlen und Wahrnehmungen zweifeln konnte. Später wurde mir bewusst, dass diese Gedankengänge in einem Großteil der Personen stattfinden, die sexualisierte Diskriminierungen und Gewalt erlebten. Die Schuld bei sich selbst suchen. Das eigene Verhalten hinterfragen. Eigene Gefühle rationalisieren.

Ich weigere mich, das als „Alltag“ und „Normalität“ wahrzunehmen.

Erinnern Sie sich an meine Anfangsfrage? Weshalb es wichtig ist, dass sich Hochschulen und Universitäten der Thematik sexualisierte Diskriminierung und Gewalt stellen? Um genau solchen Personen, wie der jungen Studentin, mit der ich sprach, das Gefühl zu vermitteln, dass es selbstverständlich ist, sich über ein solches Verhalten aufzuregen. Dass ein solches Verhalten generell – aber auch im Hochschulkontext – nicht geduldet wird. Dass sie verstanden wird. Und dass sie die Verantwortung für die Belästigung, die sie erfahren hat, nicht sich selbst, sondern bei ihrem Gegenüber sucht.

Ein Nein ist ein Nein. Kein „vielleicht“, kein „ja, aber“. Sobald ein nein ignoriert wird, werden Grenzen überschritten. Die Verantwortung dafür liegt niemals bei den Betroffenen.

Deshalb möchte ich Studierende und Beschäftigte an Universitäten und Hochschulen ermutigen, Situationen sexualisierter Diskriminierung und Gewalt nicht als Normalität wahrzunehmen, sondern sich zu wehren und sich an Ansprechpersonen zu wenden. Ihr seid nicht allein. Euch stehen u. a. Gleichstellungsbeauftragte und Beratungsinstanzen zur Verfügung.

Und ich möchte Hochschulen und Universitäten weiterhin ermutigen, nachhaltig in Präventions-, aber auch Nachsorgeangebote für ihre Angehörigen zu investieren. Es braucht mehr, als strukturelle Vorgaben und niedergeschriebene Verfahrenswege. Es braucht geschulte Ansprechpersonen. Menschen, die Betroffenen zuhören, sie ernst nehmen und ein Stück auf dem Weg begleiten, den sie sich nicht selbst ausgesucht haben.                       

Vielen Dank."

Letzte Änderung: 09.07.2020 - Ansprechpartner: Webmaster