Studieren, was uns morgen bewegt

13.09.2018 -  

Im neuen Studiengang „Elektromobilität“ bildet die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg junge Menschen in den Bereichen Elektrotechnik, Informationstechnik und im Maschinenbau aus, sodass sie dann nachhaltige Mobilität gestalten können. Die Redakteurin aus dem Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Ines Perl hat mit den Dekanen der Fakultäten Prof. Dr.-Ing. Ralf Vick und Prof. Dr. Michael Scheffler über das neue Angebot gesprochen.

Herr Professor Vick, warum sollten junge Menschen „Elektromobilität“ an der OVGU in Magdeburg studieren?

Prof. Dr.-Ing. Ralf Vick: Elektrisch betriebene Fahrzeuge sind hochkomplexe Systeme, deren Konstruktion und Betrieb von den Ingenieurinnen und Ingenieuren ausgeprägtes systemisches Denken erfordert. In Zukunft werden immer mehr Systeme per App gesteuert. Um erfolgreich in diesem anspruchsvollen und spannenden Tätigkeitsfeld zu bestehen, müssen die Studierenden alle notwendigen Fähigkeiten erlernen. Dieser Studiengang bietet die Möglichkeit dazu. Die Studieninhalte sind fächerübergreifend ausgewählt, ohne das Studium zu verwässern, und wir bieten ein exzellentes Betreuungsverhältnis. Dazu kommen die Kooperationen mit Firmen, die sich mit mobilen Konzepten auseinandersetzen, attraktive Praktikumsplätze und später Arbeitsplätze bieten.

Portrait Prof. Vick (c) Stefan Berger_Universität MagdeburgProf. Vick (Foto: Stefan Berger / Universität Magdeburg)

 

Herr Professor Vick, Herr Professor Scheffler, nennen Sie bitte einige inhaltliche Eckpunkte des Studiums.

Prof. Dr.-Ing. Ralf Vick: Natürlich gehört die Vermittlung solider Grundlagen der Mathematik, Elektrotechnik und des Maschinenbaus in ein solches Studienprogramm. Dazu muss aber auch bekannt sein, wie Energie gespeichert wird, elektrische Maschinen funktionieren und Abläufe gesteuert und geregelt werden. Anwendungsorientierte Projekte geben den zukünftigen Ingenieuren und Ingenieurinnen die Möglichkeit, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

Prof. Dr.-Ing. Michael Scheffler: Als Mitverantwortlicher der Fakultät für Maschinenbau fallen mir in erster Linie unsere Module und Vorlesungen zur Fahrzeugtechnik ein. Aber auch Konstruktion, Mechanik und die Tribologie, also die Lehre von der Reibung, gehören dazu. Ein praktisches Highlight wird das integrierte Forschungsprojekt sein, bei dem unsere Studierenden ihr theoretisches Wissen bei Herstellern und Zulieferern umsetzen können.

Welche Interessen sollten angehende Studierende mitbringen?

Prof. Dr.-Ing. Scheffler: Auf jeden Fall Interesse an technischen Entwicklungen, Mathematik ist da ein ganz wichtiges Instrument zur Umsetzung, Ausdauer bei den Grundlagen, ohne die es nicht geht und Spaß bei der Umsetzung in technische Anwendungen. Dazu gehört auch, keine Scheu zu haben, Neues zu denken und zu formulieren. Und: Ohne Teamarbeit geht heute fast nichts mehr, also Interesse an Zusammenarbeit und Kommunikation ist ein ebenso wichtiger Bestandteil eines dann hoffentlich erfolgreichen Studiums.

Herr Professor Vick: Elektromobilität bedeutet nicht, dass einfach nur ein elektrischer Motor mit Batterie in ein Fahrzeug eingebaut wird. Auch andere Bereiche wie das autonome Fahren, die vernetzte Kommunikation mit der Umwelt, die Energieversorgungskonzepte und die Nachhaltigkeit der Produkte sind Bestandteil der Elektromobilität. Wir müssen den Studierenden demzufolge ein verzahntes Studienprogramm mit maschinenbau- und elektrotechnischen Inhalten anbieten. In einer begrenzten Zeit müssen solide Grundlagen vermittelt werden, ohne zu sehr in die Spezialisierung zu gehen. Daher haben wir uns entschlossen, diesen Studiengang einzurichten, der in sechs Semestern die Grundlagen für ein aufbauendes und in unterschiedliche Richtungen spezialisiertes Masterstudium legt.

Wie ordnet sich das Studienangebot in die Forschungsschwerpunkte der beiden Fakultäten ein? Werden Studierende in die Forschungen einbezogen?

Prof. Dr.-Ing. Michael Scheffler: Das Studienangebot wurde passgenau zum Forschungsschwerpunkt Automotive aufgebaut. Unsere Studierenden werden mit Teilaspekten der Entwicklung, die Bestandteile von Forschungsprojekten sind, betraut, sei es als studentische Hilfskräfte oder als Studierende, die ihre Bachelor- oder Masterarbeiten durchführt. Ohne Studierende geht es hier nicht.

Prof. Dr.-Ing. Ralf Vick: Auch im Bereich der Medizintechnik sind neue Ansätze im Bereich Krankentransport, Logistik und der Versorgung im Krankenhaus mittels elektromobiler Systeme gefordert, so dass die Studierenden nicht nur mit Fahrzeugen, sondern auch anderen gesellschaftlichen Anwendungen konfrontiert werden.

Wie praxisnah ist die Ausbildung im Studiengang „Elektromobilität“ an der OVGU, gibt es außeruniversitäre Partner?

Prof. Dr.-Ing. Michael Scheffler: Ohne Frage steht die Vermittlung von Grundlagen zeitlich an erster Stelle. Aber: Wir wollen, wir können das Auto nicht neu erfinden und orientieren mehr auf praxisrelevante Ausbildung. Nehmen wir die Batterien als Beispiel: Grundlagenforschung auf Ebene der Batteriezelle können und wollen wir gar nicht machen, das können andere schon länger als wir. Aber: Wie verhält sich eine Batterie unter unterschiedlichen Lasten und äußeren Bedingungen? Wie ist ihr Degradationsverhalten bei unterschiedlichen Leistungsanforderungen? Wie können wir durch ein optimal zu- und weggeschaltetes Umfeld die Lebensdauer der Batterie optimal halten? Dies sind einige praxisbezogene Fragestellungen, zu denen es ohne Kooperation mit Industriepartnern nicht geht, und diese Kooperationspartner kommen überwiegend aus unserem Bundesland.

Portrait Prof. Scheffler (c) Harald Krieg_Universität Magdeburg

Prof. Scheffler (Foto: Harald Krieg / Universität Magdeburg)

 

Was unterscheidet dieses Studienangebot der OVGU von anderen Studienangeboten zur „Elektromobilität“?

Prof. Dr.-Ing. Ralf Vick: Im Vergleich zu ähnlich orientierten Studiengängen ist es uns gelungen, eine ausgewogene Verteilung der Inhalte von Maschinenbau und Elektrotechnik abzubilden. Einige neue Konzepte, wie das Anwendungspraktikum, in dem die Studierenden eigene Elektromobile, z.B. ein selbstbalancierender Scooter oder Crazy Cart, aufbauen und in Betrieb nehmen können, unterstreichen unsere innovative Herangehensweise, um technikaffinen Studierenden praktische Erfahrungen zu vermitteln, aber auch um junge Menschen für angewandte Technik zu begeistern. Zudem ist durch den Forschungsschwerpunkt Automotive die Einbindung in aktuelle Forschungsprojekte im Bereich Elektromobilität gegeben.

Im Regierungsprogramm Elektromobilität ist festgelegt, dass bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren sollen – viel Arbeit für angehende Ingenieure der Elektromobilität. Doch ist „Elektromobilität“ wirklich nur das Elektroauto?

Prof. Dr.-Ing. Michael Scheffler: Festlegung hin, Festlegung her. Zunächst muss dies mit der Verfügbarkeit einer Versorgungsinfrastruktur – auch Elektroautos müssen „tanken“ – einhergehen und außerdem bezahlbar bleiben. Dazu wird ganz sicher noch einige Zeit ins Land gehen. Außerdem: E-Bikes, sich autonom bewegende Haushalts- und Gartenhilfen, Servicedrohnen, Pflegeunterstützung und sicherlich in Zukunft eine ganze Reihe von Nischenprodukten lassen sich elektrisch besser antreiben als mit einem Verbrenner. Wir stehen heute am Anfang einer Entwicklung, die noch viele Überraschungen bereithält.

Mich ärgert bei der Diskussion um Elektromobilität immer wieder, dass ein ganz wichtiger Punkt – die Erzeugung der Elektroenergie als Antriebsenergie – häufig unter den Tisch gekehrt wird. Würde es jetzt schon diese eine Million Elektrofahrzeuge geben, wäre der Gesamtausstoß an Kohlendioxid deutlich höher. Dieses Problem kann nur gelöst werden, wenn wir bei der Stromerzeugung weg von Kohle, Erdgas und Erdöl hin zu Sonne, Wind und Biomasse gehen, unsere Stromversorgung also aus nachhaltigen Energiequellen betreiben; allein die Sonne liefert jährlich etwa 7000 mal mehr Energie, als wir als Weltbevölkerung benötigen.

Wie kann es nach dem Bachelorstudium Elektromobilität weitergehen? Welche Karriereaussichten gibt es?

Prof. Dr.-Ing. Michael Scheffler: Wir denken auf Universitätsebene bereits über den Aufbau eines Masterstudiengangs nach. Hier wird dann nicht nur das im Bachelorstudiengang Elektromobilität erworbene Wissen weiter ausgebaut und spezialisiert, sondern aus heutiger Sicht noch randständige Themen aufgegriffen. Wir möchten zeitgleich mit der Verfügbarkeit erster Bachelor-Absolventen aus dem E-Mobilitätsstudiengang einen Masterstudiengang, Arbeitstitel: Mobilität, anbieten. Das ist sportlich, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

 

Professor Scheffler, Professor Vick, vielen Dank für das Gespräch.

 

Ines Perl

Letzte Änderung: 09.07.2020 - Ansprechpartner: Webmaster