Magdeburger Nachwuchswissenschaftlerin beim 67. Nobelpreisträgertreffen

21.08.2017 -  

Nur ein Jahr zuvor war unsere Welt noch eine andere. Das war bevor Großbritannien entschied, um jeden Preis die Europäische Union verlassen zu wollen, bevor der türkische Präsident unter dem Verdacht des Mitwirkens an einem Putschversuch zahlreiche Intellektuelle und Querdenker inhaftieren lies und bevor eine populistische ungarische Regierung entschied, die Zentraleuropäische Universität zu schließen. Es war aber auch bevor Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde und in seiner Position als mächtigster Mann der Welt entgegen jeglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die globale Erderwärmung plump als Fake-News verunglimpfte und den Rückzug der USA aus dem Klimaabkommen von Paris verkündete.“ Mit diesen drastischen Worten eröffnete Bettina Bernadotte af Wisborg, Präsidentin des Kuratoriums, das 67. Lindau Nobel Laureate Meeting, das nach der Nobelpreisverleihung an der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Stockholm das größte und wichtigste Treffen der wissenschaftlichen Elite ist.

Gleichzeitig stellte Gräfin Bernadotte mit dieser ungewöhnlichen und besorgten Einleitung aber auch die zentrale Bedeutung einer freien, unabhängigen und zukunftsorientierten Forschung für die Zukunft unserer Gesellschaft in den Fokus und hieß die geladenen Gäste, unter ihnen 28 Nobelpreisträger und knapp 400 ausgewählte Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt, in Lindau am Bodensee willkommen.

Eine dieser jungen Wissenschaftlerinnen war Dr. Franziska Stöber, die sehr gern, trotz Elternzeit, dieser besonders ehrenvollen Einladung folgte und begeistert von einer außergewöhnlichen Veranstaltung berichtet, auf der sie die exzellenten, am Wissenschaftsstandort Magdeburg entstandenen Forschungsaktivitäten repräsentierte.

Der Einladung vorausgegangen war eine Empfehlung der Leibniz-Gemeinschaft, nachdem Dr. Stöber im vergangenen Oktober ihre Promotion im Rahmen einer engen Kooperation zwischen dem Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) Magdeburg und der Klinik für Nuklearmedizin der OVGU mit herausragendem Ergebnis verteidigen konnte.

Der Schwerpunkt der Forschungstätigkeit von Dr. Stöber widmet sich der frühzeitigen Visualisierung und Diagnostik von Hirnschädigungen, verursacht z. B. durch einen ischämischen Schlaganfall oder durch Demenzerkrankungen. Basierend auf der durchgeführten Gundlagenforschung konnten Dr. Stöber und ihre Kollegen ein neuartiges bildgebendes Verfahren entwickeln, das sowohl einem vertiefenden Verständnis über die Ausbreitung hirnschädigender Erkrankungen als auch der Entwicklung entsprechender Therapeutika zugutekommen kann.

„Das Meeting bietet jungen Wissenschaftlern die einmalige Möglichkeit, in den Dialog mit Nobelpreisträgern, aber selbstverständlich auch untereinander zu treten, die eigenen Forschungsergebnisse zu präsentieren und sich ein internationales Netzwerk aufzubauen“, hebt sie das Besondere an dieser Veranstaltung hervor, die sich jeweils jährlich wechselnd einer der naturwissenschaftlichen Nobelpreisdisziplinen: Medizin und Physiologie, Chemie oder Physik widmet. „In diesem Jahr stand die Chemie im Mittelpunkt. Leider erlauben die Statuten nur eine einmalige Teilnahme an einer Lindauer Nobelpreisträgertagung – es sei denn man gehört irgendwann einmal selbst zu den Laureaten“, blickt Dr. Stöber, als studierte Neurobiologin mit einem Augen zwinkern motiviert in die Zukunft und beschreibt immer noch tief beeindruckt ihre Eindrücke. Jede Tagung bestehe aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Vorträge von Nobelpreisträgern, interessanten Podiumsdiskussionen mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Aber auch die jungen Wissenschaftler bekämen in sogenannten Master Classes und in speziellen kleinen Gruppengesprächen mit Laureaten die Gelegenheit zu einem fachlichen und persönlichen Austausch. Eine unglaublich professionelle mediale Berichterstattung führe dazu, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Allgemeinheit gut zugänglich gemacht werden.

36919___LNLM2017_Wednesday_033_cfVortrag beim Nobelpreisträgertreffen 2017 (Foto: Julia Nimke)

„Als überaus sympathisch empfand ich persönlich, dass die Nobel Laureats sehr offen und menschlich von ihrem Leben und der oftmals beschwerlichen wissenschaftlichen Karriere berichteten. Viele von ihnen beantworten auf sehr humorvolle Art und Weise die oft gestellte Frage: Wie gewinne ich einen Nobelpreis? Dabei motivierten sie die jungen Teilnehmer insbesondere dazu, ihrer wissenschaftlichen Leidenschaft zu folgen, nach Möglichkeit an einem Thema mit hoher gesellschaftlicher Relevanz zu arbeiten, unerwartete Resultate nicht außer Acht zu lassen und an die eigenen Stärken zu glauben. Einige gaben aber auch offen zu, dass es manchmal einfach hilft, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wenn alles nichts nütze, so verriet Klaus von Klitzing – Preisträger 1985 für die Entdeckung des quantisierten

Hall-Effekts –, kann man auch schon mal eine Nobelpreis-Medaille im New Yorker Auktionshaus Christie’s bekommen. So geschehen Ende 2014, als ein anonymer Telefonbieter die 1962 an James Watson verliehene Auszeichnung für die Entdeckung der DNA-Struktur für 4,76 Millionen Dollar ersteigerte“, resümiert Dr. Stöber und gibt zugleich eine zentrale Botschaft der Tagung weiter: „Wissenschaft steht immer auch in der Pflicht, für gesellschaftlich bedeutende Themen zu sensibilisieren. Große wissenschaftliche Leistungen werden nur in einem globalen Kontext bedeutsam; man kann also nicht ignorieren, was in der Weilt um uns herum passiert, wie zum Beispiel die aktuelle Problematik des Klimawandels.“

In diesem Kontext hob auch Bettina Bernadotte die besondere Bedeutung des wissenschaftlichen Dialogs hervor, da die auf zuverlässigen und überprüfbaren Fakten basierende Wissenschaft in unvergleichbarer Weise in der Lage ist, nationale, geschlechtsspezifische, religiöse, ethnische und andere Grenzen zu überwinden. In diesen Tagen bereitet sich Lindau übrigens bereits erneut auf einen Ansturm zahlreicher Wissenschaftler vor. Mitte August werden an der 6. Lindauer Tagung der Wirtschaftswissenschaften junge Ökonomen ebenfalls mit Nobelpreisträgern zusammentreffen.

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